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Kritik der Souveränität

Frankfurter Beiträge zur Soziologie und Sozialphilosophie 17

Erschienen am 16.02.2012, 1. Auflage 2012
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593395142
Sprache: Deutsch
Umfang: 346 S.
Format (T/L/B): 2.3 x 21.5 x 14.3 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

Die Studie stellt das für die Ideengeschichte und die politische Praxis zentrale Konzept der Souveränität infrage. Denn dieses Konzept wird durch die ''Ironie der Geschichte'' im Grunde obsolet: Das staatliche Gewaltmonopol, so zeigt Daniel Loick anhand der Entwicklung des modernen Souveränitätsbegriffs, schließt immer auch ein Element nicht zu rechtfertigender Gewalt ein. Das gilt selbst für Formen demokratisch oder deliberativ legitimierter Souveränität. Vor dem Hintergrund der realen Umbrüche innerhalb der internationalen politischen Institutionen fragt er nach Möglichkeiten, das Konzept der Souveränität zu überwinden: Wie lässt sich der gesellschaftliche Zusammenhalt auf andere Art sichern als mit Mitteln der Gewalt?

Autorenportrait

Daniel Loick, Dr. phil., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Universität Frankfurt.

Leseprobe

Einleitung In einer Nacht des Jahres 1876 bekommt Seth Bullock, der Sheriff von Lewis and Clark County, Montana, Besuch von einem Mob aufgebrachter Bürger. Sie fordern die Auslieferung des Pferdediebs Clell Watson, der sich in Bullocks Gewahrsam befindet und im Gefängnis auf seine Hinrichtung wartet. Es entwickelt sich ein Streit darum, wer den Delinquenten exekutieren darf: Während es der Mob auf Lynchjustiz und die schnelle Vollstreckung der Hinrichtung abgesehen hat, verteidigt Bullock die Zuständigkeit des Staates. Von einer Übermacht zorniger Männer umzingelt, vollstreckt Bullock die Strafe kurzerhand an Ort und Stelle, auf der Veranda des Sheriffbüros: Er legt dem Kriminellen eine Schlinge um den Hals und lässt ihn auf einen Schemel steigen, den er selbst wegtritt. Es gelingt ihm nur, seine eigene Haut zu retten, indem er die wütende Menge mit einem Gewehr in Schach hält - die Autorität des Rechtsstaats hat er jedoch erfolgreich verteidigt. Für die Gemeinde in Montana ist diese Szene eine Gründungsszene der Souveränität (in einigen Gegenden der USA waren noch bis in die 1880er Jahre nicht überall staatliche Strukturen etabliert), sie ist aber auch emblematisch für die Funktionsweise des modernen Staates insgesamt. Es gibt hier zwei Formen von Gewalt: eine illegitime, unautorisierte, unberechtigte, nicht-sinnvolle Gewalt - die des Pferdediebes und die des Lynchmobs - und eine legitime, autorisierte, berechtigte, sinnvolle Gewalt - die des Sheriffs. Die nackte, vorrechtliche, anarchische Gewalt wird von einer Gegen-Gewalt ersetzt, verhindert und im Zaum gehalten. Diese zweite Gewalt nennt sich auch selbst, nun mit einer aufschlussreichen Polysemie oder Ambiguität, eine Gewalt: eine Staats- oder Rechtsgewalt. Diese legitime Gewalt muss sich in ihrem Ergebnis von der illegitimen weder quantitativ noch qualitativ unterscheiden. Dass Watson ein Recht hat, vom Sheriff und nicht vom Lynchmob gehängt zu werden, wird ihm in der konkreten Situation von nachrangiger Bedeutung erschienen sein. Das Strafmaß, das ein ordentliches Gericht über Watson verhängt hatte, war genauso hoch wie dasjenige, das der Lynchmob vorsah, und es ist auf dieselbe Weise vollstreckt worden (oft imitieren und wiederholen die Agent_innen des Rechts die Verhaltensweise der Verbrecher_innen, oft übertreffen die juridischen Prozeduren und Strafrituale sie an grausamer Kreativität). Der Unterschied, der über die Legitimität oder Illegitimität einer Gewalt entscheidet, ist zunächst ein symbolischer: wer den Sheriffstern trägt. Der Besitzer des Sheriffsterns verfügt über Zugang zu einer höheren Autorisierungsquelle, die ihn im Namen Gottes, des Naturrechts, der Vernunft oder des Volkes zur Ausübung von Gewalt lizensiert. Der status civilis wird also weiterhin von Verkehrsformen bestimmt, die auch schon den status naturalis geprägt haben. Man kann dies ein Gesetz der Ironie nennen: Indem sich die Gesellschaft von den rohen, wilden Interaktionsweisen der Natur freizumachen glaubt, handelt sie sich unbewusst genau die gleichen Interaktionsweisen wieder ein. Als ironisch haben Horkheimer und Adorno den Prozess der Aufklärung verstanden: Ausgerechnet die Mittel, welche die Menschen aus dem übermächtigen und bedrohlichen Naturzustand herausführen sollten, haben ihn nur verlängert; und wo immer sie sich aufgeklärt und vernünftig wähnen, verstricken sie sich weiter in den Mythos. "Die Absurdität des Zustandes", schreiben Horkheimer und Adorno in ihrem gemeinsamen Hauptwerk, "in dem die Gewalt des Systems über die Menschen mit jedem Schritt wächst, der sie aus der Gewalt der Natur herausführt, denunziert die Vernunft der vernünftigen Gesellschaft als obsolet." (Horkheimer und Adorno 1997 [1944]: 38) Was die Verfasser der Dialektik der Aufklärung für die Geschichte der instrumentellen Rationalität gezeigt haben (und was Marx zuvor für die Geschichte der Ökonomie demonstrierte), gilt auch für die Geschichte des Politischen. Der zivilisatorische Fortschritt, d

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